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Besuch der Colonia Güell

Es war ein Freitag, ein sonniger Tag und ein bisschen windig. Ich fuhr mit dem Zug zur Colonia Güell. Colonia Güell ist eine Siedlung, die für die Textilfabrik des Industriellen und Eigentümers Eusebi Güell (wie sich nun erraten lässt ist der weltberühmte Parc  Güell auf seinen Moneten gewachsen) gebaut wurde, um dort arbeitenden Menschen Wohnraum zu schaffen.

 

Die Siedlung entstand um die Jahrhundertwende des 19. auf das 20. Jahrhundert und sie wurde extra an einen Ort außerhalb Barcelonas verlegt, um sozialen Unruhen in der Stadt zu entgehen und eine sichere Produktion zu gewährleisten.

 

Die Siedlung ist heute normal bewohnt und fügt sich in ein Dörfchen ein, welches eine friedliche, sympathische kleine Welt mit gesellschaftlichem Leben auf der Straße enthielt.  Am frühen Nachmittag als ich ankam, waren jedoch nur wenige Menschen draußen, dafür liefen verstreut einige vereinzelte Touristen wie Aliens mit vor dem Bauch baumelnden Audioguides durch den Ort und hörten sich die Geschichte des Dorfes an. Zu einem solchen wurde auch ich….bizarr! Die Einheimischen machen das mit.

 

Die Siedlung ist deswegen besonders, weil viele der Gebäude vom spanischen Modernismus geprägt sind und der weltbekannte Antoni Gaudí, neben anderen berühmten Architekten, angefangen hatte, dort eine Kirche zu bauen. Er beendete den Bau jedoch aus unbekannten Gründen vorzeitig, sodass nur das untere der zwei geplanten Kirchenschiffe existiert – bis heute. Nur ein Dach wurde ergänzt.

 

Die Kirche von Außen
Die Kirche von Außen
Von Innen
Von Innen

Ich schätzte es sehr, mir in aller Seelenruhe die Geschichte dieses Fleckchens Erde anzuhören und dabei in langsamem Schritt durch die Straßen zu laufen. Die ehemalige Funktion der Gebäude und die Lebens- und Verhaltensweisen der Menschen wurden mit Hilfe der Stecker in meinem Ohr erklärt. So gab es zum Beispiel eine Schule, ein Krankhaus, ein Ärztehaus, ein Bauernhaus, ein Kulturzentrum und neben weiteren natürlich der Dreh- und Angelpunkt: die Fabrik, die erst 1978 stillgelegt wurde. Dienten alle sozialen und kulturellen Besonderheiten wie z.B. ein Chor zwar hauptsächlich dazu, die Produktionskraft der Fabrik durch gesunde und motivierte Arbeiter zu erhöhen, so waren es anhand des Guides doch enorme Fortschritte im Verhalten der Mächtigen gegenüber ihren Angestellten.

 

Auch die Fabrik hatte einen besonderen Charakter, da sie als einzige in diesem Zeitraum nicht durch Wasserkraft angetrieben wurde, sondern von Beginn an mit einer Dampfmaschine. In der Fabrik gab es u.a. eine Weberei, Färberei und Trocknerei, um Baumwolle zu Kord, Velour oder Samt zu verarbeiten.

 

Die Kirche von Gaudi hat mich nachhaltig beeindruckt, obwohl ich und vielleicht gerade weil ich ja eher ein Fan der natürlichen Formen bin, die ebenjener geniale Gaudi nachahmen wollte. Ich hielt mich wirklich lange dort auf und hörte mir die Texte des Guides zuweilen zweimal an. Die Farbspiele und kleinen Details, die Weihwasserbecken am Eingang - bestehend aus einer bestimmten Art Riesenmuschel - das eindrucksvolle Portal mit den vielen Symboliken und vor allem die Glasfenster der Kirche (von innen betrachtet) haben es mir sehr angetan.

 

Im folgenden Foto vom Eingang zur Kirche könnt ihr diese Bilder und Symbole suchen:

 

Mit hunderten Glasstücken wurden verschiedene religiöse Symbole in das Mosaik eingearbeitet. So das Anagramm der Dreifaltigkeit Pater - Filius - Spiritus Sanctus (PFSS), eine Fackel (=Glaube), ein Anker (= Hoffnung), ein loderndes Kreuz (=Caritas/Liebe). Zudem sind die 4 Kardinaltugenden in Form einer Öllampe (Klugheit), einer Waage (Gerechtigkeit), einem Helm (Tapferkeit) und einem Weinkrug (Mäßigung) abgebildet.

 

Naa? Alles gefunden? Ich musste länger schauen…(zugegeben...das Bild ist hier sehr klein)

 

An anderen Stellen fand man auch den Fisch als Symbol des Christentums, das Alpha und Omega und das Andreaskreuz sowie die Buchstaben C und G, für Colonia Güell. Auch die Kirchenbänke wurden von Gaudi entworfen und bis heute sind noch wenige Exemplare im Original vorhanden.

 

Auch erfuhr ich, dass in den Säulen der Kirche viel Basaltgestein und, was ich spannend fand, Hochofenschlacke, verbaut wurde.

 

Wie Gaudi die Stützkraft der tragenden Säulen berechnet hat, war ja alles ganz schön verrückt und genial, da verlor sich dann mein Blick jedoch eher in den bunten Fenstern und lenkte mein Ohr von weiteren Details zur Bauweise ab…

 

Als ich schließlich den Guide wieder zurück zur Info brachte, war das Leben auf der Straße nun in vollem Gange, da der Großteil der Bewohner Feierabend hatte. Kinderwagen schiebende Eltern, Musik hörende Jugendliche, mit dem Stock schlurfende Alte, plappernde Männer und Frauen.

 

Und ein Eusebi Güell mit einer umgebunden Schürze, der immer noch den Geist des Weltfrauentags an sich trug, der zu feministischen Demonstration aufrief (an der ich im März in Barcelona beteiligt war). Dies war ein schönes Abschluss- und Abschiedsbild für mich, um den Ort zu verlassen und in harmonischer Erinnerung zu tragen.

 

Hinweis: Die Informationen sind den Erläuterungen des Audioguides entnommen.

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