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Meine innere Weisheit

So manches läuft mir die Tage über den Weg, bei dem ich kurz innehalte. Ich halte im Moment inne und sage mir: „Ja, da spricht eine innere Weisheit aus dir heraus, die du kennst, die da ist und die du jetzt im Moment tatsächlich einmal wahrnehmen und sehen kannst, dass sie da ist.“ Ein Wissen über das Schöne und Gute, ein Wissen darüber, womit ich hadere und warum und die Anerkennung - im Sinne von Würdigung statt Verdrängung - meines aus tieferer Quelle kommenden Wissens. Diesen Prozess möchte ich hier anhand von ein paar Beispielen teilen.

 

Sinn und Weitblick

 

Ein ganz großes Beispiel für Achtsamkeit und Sinnhaftigkeit war es, Esskastanien zu pflanzen. Ich wusste, dieser Baum, den ich jetzt einpflanze, der wird vielleicht 300 Jahre alt. Das Bewusstsein dafür lässt mich diesen Baum ganz achtsam, liebevoll und fürsorglich pflanzen. Ich nehme 3 Mal mehr noch den Spaten wieder in die Hand, wenn das Pflanzloch immer noch zu klein ist und erweitere es. Ich achte darauf, dass die Mykorrhiza-Pilze direkt auf die Wurzeln gegeben werden, ich hole bessere Erde ran, nehme mir Zeit den Baum auszurichten und einzugraben und am Ende eine ausreichende Schicht Holzhäcksel zu besorgen, falls der Miststreuer nicht genug auf der Fläche verteilt hat. Diese Handlungen sind wichtig und sehr bedeutsam. Für ein Lebewesen, das einmal viel älter wird als ich. Den Ort viel besser kennen wird als ich. Menschen und Tiere ernähren wird. 

 

 

Gefühle

 

Was ich auch immer schon lange weiß ist, dass die Menschen leider emotional so verarmt sind. Sich nicht zeigen. Ihr Innenleben unterdrücken. Zurückhalten. Verdrängen. Ich habe vor Jahren einmal ein Gedicht names „Die Fassade“ geschrieben. Dieses Scheingesicht beschäftigt mich. Ich verstehe nicht, warum wir uns das selbst antun, unsere Lebendigkeit zu unterdrücken, indem wir Gefühle nicht zulassen. Das letzte Jahr über habe ich im Besonderen gemerkt, wie schön es ist, wie ganz und echt ich mich fühle, wenn ich offen Emotionen ausdrücken kann. Habe ich gemerkt, wie viele Emotionen anderer Menschen ich gleichzeitig sehen, hören, annehmen, empathisch aufnehmen und mittragen kann. Habe ich gemerkt, dass auch die anderen meine Gefühle (er)tragen können. Es oft sehr reinigend und inspirierend ist, es rauszulassen, loszuwerden und wieder nach vorne zu sehen. Emotionen zu durchleben ist wirklich anstrengend, Gefühlen auf den Grund zu gehen ist eine Arbeit für sich. Aber für mich lohnt es sich. Denn so lebe ich mein Leben in Fülle.

 

 

(Un)Erklärbares

 

Die Komplexität dieser Welt lässt sich nicht auf Zahlen reduzieren – und das tun die Menschen nur zu gerne. Ich verstehe das nicht. Wie kann man eine solche Menge an Informationen zu einem Thema auf eine Zahl herunterbrechen und daraus interpretieren welche Handlungen richtig und falsch sind? Oder welche Ursachen es dafür gibt? Oder was das überhaupt zu bedeuten hat? Es ist der Glaube daran, dass alles messbar ist. Ich bin eine Schattierung, eine Mischung, ein Mittelweg einer Ansicht darüber.  Ich bin keine esoterische Verschwörerin, noch bin ich eine überrationalisierte Wissenschaftlerin – um mit den beiden Extremen zu sprechen, die in der öffentlichen Darstellung momentan meiner Wahrnehmung nach die einzig existierenden Pole sind. Und ja, Wissenschaft ist letztendlich auch ein Glaube. Der Glaube daran, dass wir mit den Methoden, (die wir uns ausdenken!) echte, wahre Lösungen und Erkenntnisse für alle „Probleme“ und Phänomene dieser Welt finden können. Es ist ein Ringen darum, uns die Welt erklärbar zu machen und gleichzeitig auch ein Ringen um die Festigung der gefühlten Vormachtstellung des Menschen auf der Erde. Doch ehrlich gesagt staune ich in vielen Fällen auch lieber im Nichtwissen als dass ich eine leblose Zahl auf einem Blatt Papier sehe und mir denke: was soll mir das jetzt bitte sagen? Ich bewege mich auch gerne im Raum der Unerklärlichkeit. Diese verstehe ich besser als so vieles andere. Sie ist meist wortlos und zahlenlos und hält sich mehr in meiner Herzgegend auf. So weniges in unser aller Leben lässt sich anhand linearer Kausalzusammenhänge berechnen…

 

 

Weltschmerz

 

Schmerzen für das zu empfinden, was unsere Art, der Mensch, auf der Erde kaputtmacht ist eine Fähigkeit, die ich besitze und momentan aber noch viel mehr auf der Metaebene behandele. Ich freue mich, dass ich nie so abgestumpft wurde, dass mich zum Beispiel Rasensprenkler für englischen Rasen im Hochsommer bei Wasserknappheit nicht fuchsteufelswild machen, wenn ich bei laufenden Motoren von Fahrzeugen im Stand unruhig werde und am liebsten hingehen und den Schlüssel umdrehen würde, wenn es mir jedes Mal einen kleinen Stich versetzt, wenn ich Plastik in der Natur sehe (oh wie ich in der Gewächshauswüste von Murcia weinen musste!), wenn Essensreste und Lebensmittel weggeworfen werden eine Welle an schlechtem Gewissen über mich zieht. Das zeigt mir, dass ich nicht getrennt bin von der Erde. Dass ich Mitgefühl haben kann mit meiner Umwelt und meine Verantwortung und vertanen Handlungen erlebe, wenn ich nicht immer etwas dagegen unternehme oder unternehmen kann. Und wenn ihr das ähnlich fühlt, heißt das nicht, dass ihr weinerliche Mimosen seid (leider ist ja s.o. verpönt Emotionen zu zeigen), sondern dann bedeutet das, dass ihr empathische, mitfühlende – nicht nur mit der eigenen Art mitfühlende! - mit dem Leben verbundene Wesen seid und einen guten Zugang zu eurer inneren Arbeit damit habt! Toll oder? Diese Auseinandersetzung mit genau diesem Schmerz, den schmerzhaften Gewissheiten und Geschehnissen in der Welt ist mir gerade ein wichtiges Anliegen. Damit es mich und andere nicht resignierend bzw. mit irgendwelchen Mitteln der Verdrängung (Drogen, Medien, Essen, Arbeiten…) abgelenkt und starr hinterlässt, möchte ich diese Bewusstseinsarbeit in Form der „Verkörperten Ökologie“ lernen, vertiefen und anwenden, die uns lehrt aus Dankbarkeit und Schmerz heraus in hoffnungsvolles Handeln und Tatkraft zu kommen. Wenn es klappt, fange ich bald dazu eine Fortbildung an.

 

 

Abhängigkeit und Verantwortung

 

Dazu möchte ich nur sagen, dass ich lerne aus einer individualistisch-egozentrischen Weltsicht und Prägung herauszuwachsen. Begreife, dass ich durch notwendige und nicht wegzuredende Abhängigkeit „begrenzt“ bin und dies vor allem NICHT negativ zu verstehen ist. Das versteht sich nur negativ, wenn wir nach Macht über andere streben und den persönlichen Erfolg, der oft woanders Schaden anrichtet, in diesem Kontext der Macht als höchstes Ziel ansehen. Dieses Verstehen von natürlicher Abhängigkeit entlastet mich, da ich zum einen nicht überall den Anspruch aufrechterhalten muss, ich müsste immer alleine durch und zum anderen die Schuld in ein anderes Licht rückt, weil diese dann vom System nicht mehr unhinterfragt bloß auf einzelne Individuen abgewälzt werden kann. (Wie zum Beispiel: „Selbst schuld, wenn du krank wirst – du musst nur deinen Lebensstil ändern!) Das bedeutet aber nicht, dass es mich einer Verantwortung für die Gesellschaft und dem Leben entbindet. Ganz im Gegenteil, dadurch, dass ich mich als von anderen abhängiges Wesen in einem großen Netz zusammenwirkender Aktionen verstehe, bin ich umso mehr auch in einer Verantwortung für meine Taten. Dazu möchte ich gerne noch ein Zitat aus einem Buch mitgeben, in dem es in einem langen Kapitel über das Thema Kooperation statt Konkurrenz und „Macht-mit“ statt „Macht-über“ geht:

  

 

„Was in Sicht kommt, wenn wir mit neuen Augen sehen, ist diese Interdependenz. So etwas wie einen „Selfmademan“ oder eine „Selfmadewoman“ gibt es überhaupt nicht: Wir spielen zwar eine Rolle bei dem, was wir aus uns machen, aber wir werden auch von anderen und unserer Welt gemacht. Wenn Wirbelstürme, Überschwemmungen und Erdbeben die Illusion wegfegen, wir seien autark, werden wir daran erinnert, wie sehr wir nicht nur von Menschen, sondern auch vom größeren Gewebe des Lebens abhängen. Wir behandeln andere mit mehr Respekt, wenn wir bedenken, dass sie uns vielleicht eines Tages aus dem Schutt ziehen. Wir behandeln auch das übrige Leben mit mehr Respekt, wenn wir bedenken, dass wir ohne es überhaupt nicht da wären.“

 

(Joanna Macy & Chris Johnstone - Hoffnung durch Handeln - S.120)

 

 

….wenn wir bedenken, dass wir ohne es überhaupt nicht da wären. Dieser Satz ging bei mir unter die Haut.

 

 

Punkt.

 

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