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Ein Leben wie in einem Escape Room.

 

Was ist eine Escape Room?

 

 

Ein Escape Room ist ein Raum, in den man sich mit ein paar weiteren Leuten begibt und in dem man in einer vorgegebenen Zeit Rätsel lösen und Abenteuer bestehen muss, um am Ende „erfolgreich“ zu sein und hinauszukommen.

 

Mir ist dieser Vergleich, zu der Lebenszeit in die ich hineingeboren wurde, eines Abends plötzlich eingefallen und es bestehen erstaunlich viele gefühlte Parallelen zu einem solchen Raum. Darum möchte ich diesen Vergleich im folgenden Text mit euch wagen.

 

 

Der Escape Room symbolisiert Raum und Zeit meiner Lebensphase. Zwei Größen, mit denen ich mich sehr viel beschäftige. Raum ist heutzutage – wenn nicht schon zu allen Zeiten - leider ein enormes Geburtsprivileg. Je nachdem auf welchem Fleckchen Erde du geboren wirst, hast du gute oder weniger gute oder kaum Chancen auf ein gutes und würdevolles Leben. Zeit ist in unserer westlichen Industriegesellschaft zu jederzeit knapp und gleichzeitig eine uns bestimmende und vereinnahmende Maßeinheit, die wir uns selbst auferlegt haben. 

 

 

Der Unterschied zur Freizeitaktivität Escape Room und dem echten Leben: Du wirst in dein Leben hineingeboren und suchst es dir nicht als eine abwechslungsreiche und abenteuerliche Freizeitaktivität aus – jedenfalls wissen wir nichts davon ob wir uns das aussuchen oder nicht. UND: alles ist ein wenig ernster. Wobei ich da auch schon andere Stimmen wahrgenommen habe; von einem Mensch, der zu mir sagte, dass alles nur ein Spiel sei („It is all a game.“). Das jedoch ist für mich auch nur eine Form von Flucht, bei der mensch die Verantwortung, die da ist, nicht nimmt. Dazu gleich mehr weiter unten.  

 

 

Da stecke ich nun in meinem Escape Room namens Leben. Ich habe es mir nicht ausgesucht (oder doch?!) und muss nun meinen Weg finden, ob ich will oder nicht. Manche würden sagen: Warum „escape“? Warum ausbrechen wollen? Ich habe doch alles, was ich brauche…im abgesicherten Mittelstand aufgewachsen, nie Geldsorgen gehabt, immer meine Wünsche und Hobbys ausleben können. Das ist die eine Seite der Medaille – die mit Blick auf mein individuelles Dasein bis - sagen wir - vor zwei, drei Jahren galt. Nun kann ich diese Art der Besänftigung vor mir selbst nicht mehr rechtfertigen; es reicht mir längst nicht mehr aus. Die andere Seite ist der Gesamtblick auf den Planeten und die Menschheit. Wenn ich genau hinschaue und mein Herz fühlend für den Zustand öffne, an welchem Punkt in der Geschichte wir gerade stehen, dann sind solche Gefühle wie Schmerz, Angst, Wut und Trauer so stark, dass sie kaum auszuhalten sind. Es ist kaum erträglich sich den realen Zustand andauernd vor Augen zu führen. In meinem Escape Room namens Leben ist nicht alles so harmlos aufregend wie die künstlichen Hürden in dem freizeitlichen Unternehmungspendant. Überall auf unseren Wegen lauern Zeitbomben, die jederzeit hochgehen können.

 

 

Ein paar Beispiele:

 

 

- Explosion eines Atomkraftwerks,

 

- Überschreitung der Kipppunkte globaler Erwärmung,

 

- Peak Oil

 

-Irgendein dem Leben völlig entrückter Regierungsschef, der den nächsten Weltkrieg anzettelt (diesmal gendere ich ausdrücklich nicht, da mir aktuell keine weibliche Figur in dem Kontext einfällt),

- das Massenaussterben der Arten, die für unsere Lebensgrundlage sorgen

 

-Tod durch Vergiftung…wer weiß wie viel unsere Umwelt noch an Plastik und Giftmüll verträgt bis unser Körper das nicht mehr „schlucken“ und verarbeiten kann

 

- …..

 

 

Das sind ganz reale Zeitbomben in unser aller Escape Room namens Leben. Und was daraufhin passiert, ist, dass die Menschen hoffnungslos und ängstlich werden und erstarren – sich quasi schonmal pro forma oder zur Sicherheit totstellen. Naja nicht nur. Es gibt die bekannten und gängigen 3 Reaktionen auf Gefahr: Flüchten, erstarren oder kämpfen.

 

 

Sehr viele Menschen wählen den Weg der Flucht, den uns die Geschichte unserer Zeit sehr gut ebnet: Es geht dir gut und alles ist gut, wenn du dich ablenkst mit KONSUM. Mit Drogen, mit Entertainment, mit Glückspiel, mit Gegenständen, mit Sex, mit Schlaftabletten oder wahlweise Aufputschmittel, mit Shopping, mit Netflix….usw usw usw. Wir flüchten vor dem Schmerz und finden Ersatz in oberflächlichem Amüsement oder unser krank machenden Süchten.

 

 

Das Erstarren ist auch eine oft gesehene Reaktion, basierend auf der Haltung, sich selbst klein zu machen und nicht den Glauben daran zu haben, dass die eigenen Taten positiven Einfluss auf die Welt haben oder irgendetwas zum Guten wenden können. Das Erstarren ist das Aufgeben, sich abschotten, wegschauen, dissoziieren, Scheuklappen aufsetzen, taub werden – innerlich taub und unberührbar. Sich von seinen eigenen Gefühlen trennen, abstumpfen, den Bezug verlieren.

 

 

Dann gibt es noch das Kämpfen. Das Kämpfen ist etwas komplexer und zumindest aktiver im Vergleich zu den beiden obigen Formen. Führt aber leider häufig dazu, dass die gängige Erzählung, „wir müssten ständig Krieg gegen einen imaginären Feind führen“, aufrechterhalten wird. Und überhaupt, dass wir GEGEN etwas kämpfen. Heftigen Widerstand leisten und so mutig sein, sich an Schienen zu ketten oder den Winter auf einem Baumhaus auszuharren, um auf diese Art für den Zustand der Welt einzustehen, ist eine gute Sache…ist aber noch nicht tiefgreifend genug.

 

 

Nun bin ich dort in meinem Escape Room und will keine dieser Reaktionen anwenden. Ich möchte einen veränderten Blick auf meine Wahlmöglichkeiten und die Chancen der Menschheit entwickeln.

 

 

Dabei bewege ich mich in einem schwierigen Dilemma: Jederzeit könnte eine dieser tickenden Zeitbomben hochgehen und ich fühle mich zum unmittelbaren, schnellen und richtigen Handeln gedrängt, ja sogar genötigt. Doch wenn ich mich beeile, dann werde ich kopflos weiterhin von unserem Maß an Zeit determiniert und verfalle womöglich in blinden Aktionismus. In oberflächliche Geschäftigkeit. Wie soll ich dieses Dilemma auflösen? Ich weiß es nicht. Aber ich fühle mich mehr zu einer anderen Herangehensweise als dem geschäftigen „Rumrödeln“ hingezogen. Warum erläutere ich an einem Beispiel von Charles Eisenstein:

 

 

Ausgangspunkt: Eisenstein hält einen Vortrag mit dem Vorschlag, das Tempo rauszunehmen und vielleicht auch mal NICHTS zu tun. Daraufhin wird er von einem jungen Mann mit zahlreichen Vorwürfen in diesem Ton konfrontiert: Wie können Sie das rechtfertigen, während überall Menschen sterben, der Planet geplündert wird etc etc. – das sei heuchlerisch und ein selbstgewählter Freispruch von der Schuld (Vgl. Seite 143/144).

 

 

Eisenstein findet nun ein bildliches Beispiel:

 

 

„Wenn mein Haus brennt, werde ich nicht vor meinem Computer sitzen bleiben. Die Welt steht in Flammen! Warum sitze ich vor meinem Computer? Weil ich keinen Feuerlöscher für die Welt habe und weil es keine weltweit einheitliche Notrufnummer gibt. (…)Wenn wir die wahre Ursache eines Problems kennen und wissen, was man dagegen tun kann, dann ist alles, was der junge Mann sagte, richtig. Dann ist es Zeit, zu handeln, und womöglich dringend. Aber wenn wir noch nicht zu den wahren Ursachen vorgedrungen sind, oder nicht wissen, was zu tun ist, dann könnte jede Einmischung kontraproduktiv sein. (…) Der Anschein von frenetischem Tun beruhigt das Gewissen und erzeugt die Illusion, dass man Teil der Lösung sei – aber bewirken diese Handlungen irgendetwas Gutes? Stellen Sie sich vor, wie jemand heroisch mit einem Feuerlöscher vor einem gigantischen Inferno hin und her fuchtelt – vielleicht sind in einer solchen Situation Worte und nicht >>Taten<< die beste Tat; vielleicht ist es an der Zeit, Hilfe zu holen. Und was, wenn wir nicht wissen, welche Art von Feuer es ist? Brennt Elektronik? Fett? Holz? Und was, wenn es auch noch woanders brennt und wenn an manchen Orten das Feuer schon weiter fortgeschritten ist? Und was, wenn in manchen der Häuser Kinder sind? Und was, wenn drei Viertel der Menschen nicht einmal glauben, dass es bei ihnen brennt? Was, wenn es keinen Sinn hätte, die brennenden Häuser zu löschen, wenn es besser wäre, sie aufzugeben und gleich neue und bessere Häuser zu entwerfen? Könnte es sogar sein, dass das hastige Hin-und-her-Laufen, um ein Problem nach dem anderen zu lösen, das Feuer am Brennen hält?“ (S.144-145 – Quelle s.u.)

 

 

Dies meine ich, wenn ich von oberflächlicher Geschäftigkeit spreche. Zurzeit werde ich eher davon angezogen, dass wir in uns selbst erst den Wandel in Denk-, Erzähl-, Wert-, Vorstellungsmustern und in unserem Welt- und Menschenbild vollziehen müssen, um die Rätsel desjenigen Raums zu lösen, in dem wir gerade stecken, um wirklich transformativ sein zu können. Und das geschieht nur bedingt durch Tätigkeiten im Außen. Dafür braucht es viel Ruhe, innere Arbeit und eine kollektive Intelligenz, die über meine eigene Kraft und individuelle Leistungsfähigkeit hinausgeht.  

 

 

Wie wäre es, wenn ich in diesem Raum sitzen bliebe und mit vollem Bewusstsein (und Unterbewusstsein?!), Mitgefühl und Achtsamkeit einfach mal beobachtete, was eigentlich passiert? Aktuell sind mir die Rätsel vor denen ich stehe noch nicht zu lösen. Wenn ich es versuche, so werde ich hektisch aufgrund der ganzen Zeitbomben, die mir verklickern, dass es jeden Moment vorbei sein könnte. (Kurzer Einschub: Mal davon abgesehen kann das eigene Leben zu jeder Zeit vorbei sein, auch ohne Zeitbomben). Wenn ich aber beobachte, mich zurücknehme und vor allem mit anderen Augen und noch viel mehr weiteren neuen oder wiedergewonnenen Sinnen im Raum bin, dann darf vielleicht etwas Anderes, etwas Gutes daraus erwachsen. Und dabei vergesse ich nicht meine Freunde um mich herum, die auch im Raum sind, sondern gebe konstant Feedback zu meinem Erleben und höre das Feedback von anderen.

 

 

Eine Weile passiert vielleicht nichts. Doch es kann sein, dass nach langem Prozess plötzlich ein Funke groß genug ist, der eine Idee zündet, dessen Zündschnur nicht zu einer platzenden Bombe führt sondern zu einem berauschenden Feuerwerk an Lebensqualität und einem Blick durchs Schlüsselloch, einem Wissen darum, dass es einen Raum gibt, den wir entweder selbst gestalten oder eintauschen können gegen einen lebensfreundlicheren Raum. Um zu erspüren, wie es weitergeht?!?!

 

 

Wie würde deine gute Welt aussehen? Wage, zu SEIN und zu TRÄUMEN!

 

 

#Kein-Bock-mehr-auf-die-alte-Geschichte

 

Buchquelle Charles Eisenstein:

Die schönere Welt, die unser Herz kennt, ist möglich

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Benjamin (Montag, 11 Oktober 2021 21:55)

    Zum Thema Aktionismus möchte ich gerne etwas teilen: Meine Bienenvölker konnten mir einiges über eine funktionierende Gesellschaft/ Demokratie beibringen. Scheint die Sommersonne auf einen Bienenkasten, wird es drinnen warm. Die Bienen aber möchten circa 35C Innentemperatur - ideal für ihre Larven. Sagen wir, die Temperatur steigt um 0,2 C, so werden sich ein paar Arbeiterinnen finden die sagen „ puh viel zu heiss hier!“ und beginnen, die warme Luft hinauszufächeln. Vielleicht reicht das schon, damit die Temperatur stabil bleibt oder sinkt. Falls es weiter wärmer wird, werden nach und nach mehr Arbeiterinnen ihre „Schmerzgrenze“ erreichen und fächeln oder Wasser zur Abkühlung holen. Alle anderen erledigen weiter Aufgaben wie zB Brutpflege die ebenfalls überlebenswichtig für das Volk sind. Im Extremfall - absolute Hitze - wird das ganze Volk dagegen vorgehen, es wird gefächelt und Wasser geholt um deine Stocktemperatur wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Zu jedem Zeitpunkt aber entscheidet jede Bienen einzeln, für sich, welche Aufgabe gerade Zuwendung braucht!
    Mir hilft das, die Dinge so zu akzeptieren - und sogar als gut zu befinden - wie sie sind. Natürlich wünsche ich mir eine Welt ohne Klimawandel, mit Respekt füreinander, keine Kriege und kein Hunger, ohne Fremdbestimmung durch jemanden, der es besser wissen darf als ich. Im täglichen Leben sind wir wie Gewichte einer Waagschale und können uns für eine Seite entscheiden - und jede Entscheidung ist richtig, wenn es unsere eigene ist. Sogar Parteien wie die AfD und ihre Wählerschaft haben da Platz, denn dahinter stehen Menschen mit ihren Entscheidungen und Gründen dafür.
    Wenn ich mir eine Welt wünschen dürfte, dann wäre es was man glaube ich Anarchie nennt. Eine Utopie, in der alle so sein und entscheiden dürfen wie sie möchten, im Wissen und Vertrauen dass sich jede nur nimmt was sie braucht. Eine Bienen-Demokratie in der jeder das tut, was er gerade für nötig hält.