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Mut statt Angst - Teil 1

Gedanken zu „Die Krönung“ von Charles Eisenstein

 

Dieser Text befasst sich mit dem Gedanken, dass wir in der Gegenwart und Zukunft lieber mutig sind und nicht ängstlich. Denn kurzum: Sind wir mutig, haben wir Chancen - sind wir ängstlich haben wir Mauern. Sind wir mutig - haben wir Energie, sind wir ängstlich - bleiben wir starr –; und sind damit besser von externen Mächten zu kontrollieren, die außerhalb unseres Selbst liegen.

 

In diesem Teil 1 beziehe ich sehr viel Inspiration aus einem kritischen Text von dem Kulturphilosophen Charles Eisenstein mit dem Titel „The Coronation“ (Die Krönung), der mir glücklicherweise selbst verlinkt wurde (danke Luise!!). Im Folgenden möchte ich die Kerngedanken des Textes zusammenfassen und an passenden Stellen eigene Erfahrungen und Kommentare meines unmittelbaren Umfelds zu Corona und der Gesellschaft mit einbringen. Warum tue ich das, anstatt mich in die viel zu heiße Aprilsonne zu legen? Weil ich diese kritischen und optimistischen Stimmen als sehr heilsam empfinde und ich mich dadurch aus meiner eigenen kleinen Angstspirale, die sich ankündigte breite Bahnen ziehen zu wollen, befreien konnte. Zudem sind kritische Stimmen in den Massenmedien meines Erachtens zu wenig präsent. Ich empfehle jedem Menschen den Text auch in voller Länge zu lesen. Auch eine deutsche Übersetzung lässt sich am Kopf des Textes auswählen. Hier der Link:

 

Der Link :

https://charleseisenstein.org/essays/the-coronation/?_page=2&fbclid=IwAR3VysrLHzuzY8c8fixguwBLC7Vl6loLDfoPYUGSlJHMiNUxzwqL5DGVA9A

 

(Anmerkung: wörtliche Zitate sind kursiv, meine Übersetzung darunter in Klammern und eigene Kommentare sind fett gedruckt)

 

 

The Coronation

 

Die Einleitung seines Textes gestaltet Eisenstein mit einer kleinen Darstellung der Lage der Welt, der Reaktion der Staaten auf das Virus und auch der damit einhergehenden persönlichen Erfahrungen (wie z.B. dass Menschen die Umarmungen fehlen, wie verunsichert wir sind und wie geschockt und die Gesellschaft zum Stillstand gekommen ist). Er weist darauf hin, dass es kurzfristig eine gute Methode sein kann, auf Abstand zu gehen. Dennoch sieht er, dass es jetzt an der Zeit ist ernsthaft darüber nachzudenken, wie wir unsere Zukunft gestalten und welchen gemeinsamen Weg wir (nach Corona) einschlagen wollen. Ein dazu passendes Eingangszitat lautet:

 

 

"The crisis could usher in totalitarianism or solidarity; medical martial law or a holistic renaissance; greater fear of the microbial world, or greater resiliency in participation in it; permanent norms of social distancing, or a renewed desire to come together." (S. 19)

 

 

(übersetzt: "Die Krise könnte uns Hinführen zu Totalitarismus oder Solidarität; zu strammen medizinischen Gesetzen oder einer holistischen Renaissance; einer größeren Angst vor der mikrobiellen Welt, oder eine größere Resilienz durch Teilnahme an ihr; permanenten sozialen Normen der Distanz, oder einer wiedererwachten Lust,  zusammenzukommen.")

 

 

Die Risiken und Chancen für die Gesellschaft erörtert er in den Abschnitten:


  • The reflex of control / Der Reflex der Kontrolle
  • The Conspiracy Narrative / Die verschwörerische Erzählung
  • The War on Death / Der Krieg gegen den Tod
  • What world shall we live in? / In welcher Welt wollen wir leben?
  • Life is Community / Das Leben ist Gemeinschaft
  • The Coronation / Die Krönung (gleichzeitig Wortspiel)

 

The reflex of control

 

Eisenstein versucht sich darin, einige Zahlen über Corona-Tote und Erkrankte abzuliefern aber dementiert sogleich die Wirksamkeit dieser Versuche und kommt zu dem Schluss: Am Ende bringen die Zahlen nichts und wir werden daraus nicht schlauer. Je nachdem wie die Zahlen am Ende ausfallen werden, so werden wir eine oder verschiedene Interpretationen parat haben, z.B.:

 

Fallen die Zahlen geringer aus als vermutet sagen manche es läge daran, dass Kontrollmaßnahmen gegriffen hätten und die anderen, dass das Virus doch harmloser war als angenommen (vgl. S.4)

 

In den Medien wird jeden Tag mit Zahlen nur so um sich geworfen, obwohl die Sprechenden oftmals im selben Satz erwähnen, dass diese keine Aussagekraft hätten. Eine simple Frage: Warum hört man dann nicht einfach auf mit Zahlen um sich zu werfen? Das Problem der Zahlen ist hinlänglich bekannt: Es wird unterschiedlich viel getestet, in unterschiedlichen Abständen, in verschiedenen Zeiträumen und mit verschieden guten Möglichkeiten an verfügbaren Tests, dazu kommen die variierenden Bevölkerungszahlen, die Testgenauigkeit usw usw. Trotzdem wird jede Menge Zeit damit verschwendet, Zahlen zwischen Nationen zu vergleichen. Es wurde mir schon in meiner Universitätszeit zunehmend ein Rätsel, welchen Nutzen die quantitative Forschung wirklich hat, die in den allermeisten Fällen höchst komplexe Sachverhalte auf möglichst wenige Zahlen beschränken will. Dies ist auch ein Grund, warum ich in diesem Bereich nicht länger wissenschaftlich tätig sein wollte. Da mir diese inhaltsleeren Zahlen auf den Keks gehen. Mich persönlich regt es besonders im medizinischen Bereich auf, da die Schwelle zwischen Gesundheit und Krankheit einseitig anhand von Zahlentabellen mit selbst gesteckten Normwerten abgelesen wird. Menschen zählen aber leider leidenschaftlich gerne…

 

Hilft uns das Wissen um Zahlen weiter? Charles Eisenstein sagt nein, ich sage auch nein. Laut ihm besteht der einzige Unterschied darin, dass die Corona-Zahlen solch eine immense Besorgnis und daraufhin folgende Aktivität erregen, weil die Zahlen kontrollierbar erscheinen. Als Gegenbeispiel nennt er Hunger und in dem Zusammenhang auch eine Zahl, die eigentlich noch mehr Besorgnis erregen sollte als Corona. Letztes Jahr seien 500 Millionen Kinder an Hunger gestorben und damit 200mal so viele, wie an Covid-19 zu dem Zeitpunkt als Eisenstein den Text verfasste. Darauf reagierte noch keine Regierung der Welt mit Notständen und schnellgreifenden Konzepten zur Verminderung der Todesopfer (vgl. S.5). Bei Covid-19 jedoch enorm. Warum? Weil die Lösung des Problems durch Kontrolle einfach erschein

 

"It is a crisis or which control works: quarantines, lockdowns, isolation, hand-washing; control of movement, control of information, control of our bodies."(S. 5)

 

("Es ist eine Krise in der Kontrolle funktioniert: Quarantäne, Ausgangsperren, Isolation, Hände waschen; Kontrolle der Bewegung, der Information und der über unsere Körper.")

 

Darum fällt es uns offenbar leichter mit vereintem Willen gegen die Ausbreitung von Covid-19 vorzugehen, anstatt viele weitere Todesursachen und Leid auf dieser Welt zu verringern, deren Ursachen nämlich auf komplexere Umstände zurückzuführen sind, als auf ein durch Tröpfchen übertragenes Virus. Eisenstein nennt nicht nur Hunger als Beispiel sondern auch solche Dinge wie Sucht, Selbstmord, Fettleibigkeit und Autoimmunerkrankungen (vgl. S.5) - letztere von welchen ich im Studium den Begriff der „Zivilisationskrankheiten“ gelernt habe und zu denen auch fast sämtliche chronische Erkrankungen zählen. Ferner erklärt er, dass viele dieser Krankheiten innere Ursachen haben, die nicht durch die Bekämpfung einer äußeren Macht beseitigt werden können und unsere Allzweckwaffen für böse Feinde hier nicht greifen:

 

"Today, most of our challenges no longer succumb to force. Our antibiotics and surgery fail to meet the surging health crises of autoimmunity, addiction, and obesity. Our guns and bombs, built to conquer armies, are useless to erase hatred abroad or keep domestic violence out of our homes. Our police and prisons cannot heal the breeding conditions of crime. Our pesticides cannot restore ruined soil." (S.6)

 

("Unsere heutigen Herausforderungen lassen sich nicht länger durch Gewalt lösen. Antibiotika und Operationen helfen nicht gegen Autoimmunerkrankungen, Sucht und Fettleibigkeit. Unsere Gewehre und Bomben, um Armeen zu bauen und Feinde zu besiegen sind nutzlos um Ausländerhass auszulöschen oder häusliche Gewalt zu stoppen. Unsere Polizei und unsere Gefängnisse können die Voraussetzungen für das Entstehen von Kriminalität nicht heilen. Unsere Pestizide können unseren ruinierten Boden nicht wieder beleben.")

 

Grundsätzlich möchte ich hierbei anfügen, dass unsere Gesellschaft permanent damit beschäftigt ist, sich kurzfristig aber dafür unnötig beharrlich mit Symptomen aller Art zu beschäftigen, sei es der eigene Körper oder die Klimakrise, und darüber zu vergessen, dass es Ursachen gibt für die  keine schnellen Lösungen erfunden werden können, wie etwa eine Tablette, eine Impfung oder weniger Flugverkehr für einen Monat.  Denn die Ursachen zu finden benötigt Zeit. Zeit, die niemand hat, da wir einem sinnlosen Wirtschaftswachstum hinterherrennen. Darüber hinaus müssten wir uns selbst  besser kennenlernen und dazu mehr Aufwand betreiben, um uns zu selbstbestimmten Menschen zu bilden anstatt uns von allen möglichen Medien und Entertainments von uns selbst ablenken zu lassen. Ich spreche aus Erfahrung. Auch ich bin/war von einer chronischen Krankheit betroffen und es hat mich Jahre des Prozesses gekostet, die Interaktion meines Körpers mit meinem Geist ansatzweise nachzuvollziehen und daraufhin selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Es gibt für komplexe Herausforderungen keine einfachen Lösungen.  

 

 

The Conspiracy Narrative

 

Im nächsten Abschnitt nun bekräftigt Eisenstein, dass Covid-19 wie gerufen kommt, für alle die, die darauf gewartet haben totalitäre Maßnahmen durchzuführen. Diese können nämlich durch die Lebensbedrohung (den Feind)  Covid-19 ganz einfach gerechtfertigt werden (vgl. S.6-8). Und wir scheinen sie bis jetzt auch zu akzeptieren?!

 

Er stellt sich Fragen, die ich kurz mit anderen Worten formuliere: Bewegen wir uns auf eine Gesellschaft der absoluten Kontrolle zu, die hierarchisch von wenigen Macht innehabenden gelenkt wird und wie es in so vielen Dystopien geschrieben steht? Wird die Pandemie Ursache sein, für Kontrollmaßnahmen, die nicht wieder aufgehoben werden? Es braucht nur jemand das Wort „Ungarn“ sagen und alle wissen Bescheid. Zudem werden in Israel bereits jetzt alle Menschen über ihr Handy geortet und per sms dazu aufgefordert und verpflichtet in Quarantäne zu gehen, wenn das Tracking feststellte, dass Kontakt zu positiv Getesteten bestand (wurde im Weltspiegel ausgestrahlt). Dies ist über alle Maßen einschneidend in unsere elementaren Rechte. Sogar Jens Spahn wollte flächendeckendes Tracking erlauben, jetzt kommt „nur“ die abgemilderte Variante in Form einer freiwilligen App. Ich muss da kurz emotional werden: Da verstehe ich keinen Spaß mehr und würde mein Handy am liebsten gegen die Wand werfen, wenn ich nicht so viele Kontakte hätte, die sich physisch weit entfernt von mir befinden. Es ist gut, dass Menschen sich allgemein an Dinge halten, die wichtig erscheinen damit kein völliges Chaos in der Gesellschaft herrscht. Aber es ist auch wichtig nonkonformistische und kritische Gedanken darüber zuzulassen.  

 

Eisenstein spricht darüber hinaus von einem allgemeinen „mindset des Pathogenen“ und einer „Kriegsmentalität“, die in allen Krisen bisher zum Vorschein kommt (vgl. S.8). Dazu fällt mir ein, dass Medien darüber berichteten Corona sei besonders, da es diesmal aufgrund weltweiter Betroffenheit schwerfalle, Sündenböcke zu finden. Dies ist ein schlechter Scherz. Wir finden immer eine/n Schuldige/n. Die USA meint es sei China, China meint es sei die USA…außerdem ist mal davon abgesehen ja sowieso Ischgl der Grund und die ganzen Skifahrenden.

 

 

The war on death

 

Kommen wir nun zu einem zentralen Teil dieses Essays. Dem Umgang mit dem Tod. Insgeheim ist der Feind, der hier bekämpft wird laut Eisenstein nämlich nicht das Virus, sondern der Tod. Er erklärt dies so:

 

"Over my lifetime I’ve seen society place more and more emphasis on safety, security, and risk reductions.(…)The mantra “safety first” comes from a value system that makes survival top priority, and that depreciates other values like fun, adventure, play, and the challenging of limits."(S.9)

 

("In meiner Lebenszeit hat die Gesellschaft mehr und mehr Wert auf Sicherheit und Risikominimierung gelegt. (…) Das Mantra „Sicherheit zuerst“ basiert auf einem Wertesystem, das das Überleben an erste Stelle setzt und andere Werte dafür herabwürdigt, wie etwa Spaß, Abenteuer, Spiel und Austesten von Grenzen.")

 

Da darf jetzt jede/r mal seine/ihre eigenen Lebenserfahrungen in dem Bezug durchstöbern, jede/r wird genug Beispiele dafür finden, ich bin mir sicher. Vorsicht ist eins der obersten Gebote geworden. Und aus Vorsicht wird leider schnell Misstrauen und daraus wiederum Angst generiert. Unsere Kultur, die Sicherheit an erste Stelle stellt, verkörpert insbesondere die Angst vor dem Tod. Vor allem Mediziner*innen gelten als Versager*innen, wenn der Tod „gewinnt“. Der Fun Fact an der Sache ist, dass wir alle eines Tages sterben werden. Ein verhinderter Tod ist also nur ein aufgeschobener Tod (vgl. S.10). An dieser Stelle möchte ich natürlich betonen, dass Menschen grundsätzlich gerne leben wollen und wir uns alle nicht wünschen, dass unsere Angehörigen sterben. Es geht hier primär um den Umgang mit dem Tod.

 

Daher geht Eisenstein darauf ein, dass es uns nicht sonderlich kümmert, wie man denn gut sterben kann – man könnte auch sagen würdevoll - (wobei gutes Sterben sich nicht immer gleichbedeutend auf schmerzfreies Sterben bezieht) (vgl. S.10). Wir sind in unserem Bemühen, den Tod als unseren größten Feind auszulöschen blind dafür geworden, was es bedeutet  ein Leben erfüllt zu leben.

 

Sein Leben nicht zu leben. Darüber habe ich neulich mit einer Freundin gesprochen. Sie meinte sie hätte nicht so viel Angst vor dem Tod sondern eher davor, ein totes Leben zu führen. Die meisten Menschen haben unserer Ansicht nach immer noch nicht begriffen, dass es am Ende, wenn wir die irdische Welt verlassen müssen nicht darum geht, ob ich diese oder jene Aufgabe in meinem Job noch erledigt habe oder ob ich mir dieses Haus oder dieses Auto noch leisten konnte.  Sondern mit welchen Menschen ich mich noch getroffen habe. Wem ich in die Augen gesehen habe, wem ich ins Herz gegangen bin. Mit wem ich Leidenschaft, Spaß, Freude, Tränen und Gefühle teilen konnte. Wie sehr ich auf mein eigenes Herz gehört habe. Wie sehr ich Erfüllung finden konnte in der Wahrnehmung und respektvollen Zuneigung zu meiner Umgebung und nicht in der stumpfen und sinnbefreiten Tätigkeit vieler moderner „Aufgaben“. Wie ich meine Kreativität ausschöpfen und mich für andere einsetzen konnte, statt Dinge zu konsumieren und hinter verschlossenen Türen  meinen Besitz zu überwachen.

 

Viele waren damals verblüfft darüber, dass wir vor der Reise wirklich Job und Wohnung ohne eine Hintertür verlassen haben. Genau dies ist mit dem Sicherheitswahn gemeint und Job und Wohnung zählen zu DEN Sicherheitsfaktoren schlechthin. Wenn man dann einmal losgeht merkt man schnell, dass man verdammt wenig Geld braucht, die ganze Welt eine Wohnung sein kann und Erwerbsarbeit nicht alles ist. Soviel erstmal zum Leben.

 

Zum Tod habe ich auch viel zu sagen. Man sollte nämlich nicht außer Acht lassen, dass die Art des Todes für einige Menschen, besonders für die, die sich zu Lebzeiten mit ihrem eigenen Tod auseinandersetzen (wollten), durchaus eine Rolle spielt. Zitat aus meinem Umfeld: Wenn ich alt wäre, würde ich lieber an Corona sterben als an sozialer Isolation, einsam und eingesperrt in einem Altenheimzimmer. Dass uns erst so ein „Killervirus“ wieder daran erinnert, dass wir sterblich sind, ist wirklich traurig. Denn das Bewusstsein um die Sterblichkeit ist ein wichtiger Teil des Lebens. Meine Schlüsse: Die Angst vor dem Tod darf und sollte sein, aber ICH darf nicht die Angst vor dem Tod sein. Ich darf Angst haben, um mich damit auseinanderzusetzen und einen Umgang mit meiner Angst zu finden, anstatt blindlings und hilflos in einem Labyrinth aus Verdrängung herumzulaufen, das mir völlig irrationale Taten an die Hand gibt: Oh da ist ein Virus, oh ich bin ja sterblich, oh deshalb gehe ich schnell ganz viel Klopapier kaufen, denn das ist alles was ich tun kann. Ich habe mich in den letzten Monaten bis nur wenigen Wochen mit dem Thema Suizid und mit einem Tod durch Herzversagen in der Coronazeit auseinandersetzen müssen. Menschen sterben. Menschen sterben auch ohne Corona. Wir können das nicht aufhalten. Aber wir müssen an unserem Umgang damit arbeiten und Resilienz auch für unsere Sterblichkeit entwickeln und dürfen Trauer nicht tabuisieren, denn natürlich ist es extrem schlimm liebe Menschen loszulassen.

 

 

What world shall we live in?

 

Dieser Abschnitt Eisensteins ist besonders kennzeichnend durch Fragen, die er an uns richtet (S.11-13) und die ich hier frei aufgreife. Denn ja, wir sind ja die, die entscheiden dürfen. Macht euch das bewusst! Wir alle entscheiden das. Und auch Nichts tun ist eine Entscheidung, denn sie wird keine Veränderung bewirken.

 

In Zeiten wo es vorstellbar wäre, dass aufgrund einer totalitären Kontrollsucht, die aus dem der Gesellschaft inhärenten Wunsch erwächst unsterblich zu sein,  Notstand zum Normalzustand werden könnte, sollten wir umso besser aufpassen. Wäre es dann in Zukunft so, dass wir uns immer mehr und immer mehr separieren und isolieren (Eisensteins Begriff ist das „seperate self“)?

Uns nie mehr berühren, küssen, umarmen dürfen? Abgesehen davon, dass ich das nicht will: Das Dilemma liegt darin, dass wir alle genauso davon sterben würden wie an einem blöden Virus. Warum? Weil der Mensch erwiesenermaßen ein „Gemeinschaftstier“ ist und Berührung genauso lebensnotwendig wie Essen.

 

Die moderne Technik macht es zumindest theoretisch (in der modernen Welt) möglich, alles nur noch online zu machen und damit menschliche Begegnung bewusst zu verhindern. Ist es das wirklich wert um Leben zu retten nur um des „Lebenserhaltungswillens“?

 

 

Life is community

 

An der Stelle mache ich direkt mit einer provokanten Aussage von Eisenstein weiter:

 

"After thousands of years, millions of years, of touch, contact, and togetherness, is the pinnacle of human progress to be that we cease such activities because they are too risky?" (S. 13)

 

("Nach tausenden und Millionen von Jahren geprägt durch Berührung, Kontakt und Zusammensein ist also der Gipfel des menschlichen Fortschritts diese Handlungen einzustellen, weil sie zu riskant für uns sind?")

 

Ich mag diesen Satz, weil er die ganze Lächerlichkeit unserer Kontrollsucht nochmal so wunderschön betont. Zudem bezieht Eisenstein jetzt nicht nur den zwischenmenschlichen Kontakt in seine Überlegungen mit ein, sondern auch den Austausch von uns mit der mikrobiellen Welt (S. 14). Ohne Mikroben könnten wir nämlich auch nicht existieren, sie sind unsere Freunde und nicht unsere Feinde.

Ein Beispiel aus eigener Erfahrung: chronisch entzündliche Darmerkrankungen sind häufiger bei Menschen zu finden, die ein bakterienärmeres Mikrobiom im Darm aufweisen. Zu viel Hygiene und Abtötung von Bakterien schwächt unser Immunsystem also zusätzlich drastisch.

 

Zur Hygiene eine kleiner Exkurs: Die letzten Monate habe ich mich so gesund wie selten zuvor gefühlt und dass, obwohl ich ziemlich dreckig gelebt habe. Beispiele: Verschwitzte Klamotten lange tragen, Hände seltener und ohne Seife waschen, Geschirr ablecken oder mit einem Schluck Wasser oder Tuch reinigen, nur einmal in der Woche „normal“ duschen und Haare waschen). Es hat mir alles nicht geschadet. Zudem habe ich eigenmächtig endlich beschlossen meine Tabletten abzusetzen. Da hätte ich aufgrund der pathogenen Risikoorientierung aller klassischer Schulmediziner*innen lange drauf warten können. Und was ist passiert? Nichts. (An dieser Stelle der Hinweis, dass ich oben bereits erwähnt habe wie lang der Prozess war dorthin zu gelangen.) Ich stehe in Corona Zeiten sogar besser da, weil mein früheres Medikament immunsuppressiv war, also mein eigenes Immunsystem drosselte.  Allgemein sollten wir ebenso ein Augenmerk darauf legen, dass psychische Krankheiten unser Immunsystem ebenso schwächen. Im Prinzip bin ich der Überzeugung, dass jede Krankheit sich sowohl auf den Geist als auch auf den Körper auswirkt. Den Zusammenhang zu begreifen finde ich wichtig. Im Studium habe ich gelernt, dass aktuelle Gesundheitsmodelle „bio-psycho-sozial“ sind und Gesundheit eine subjektive  Balance aus allen drei Faktoren darstellt. Anhand von Corona lässt sich erkennen wie wenig Wert auf das „psycho“ und das „sozial“ gelegt und wie der Fokus massiv und objektiv auf die rein körperliche Ebene gedrängt wird.

 

 

Auch Eisenstein kritisiert in dem Zusammenhang, dass alternative Heilmethoden oder Präventivmethoden in großem Maße gedeckelt und ignoriert werden und nennt dafür Beispiele (vgl. S.15-16) auf die ich hier nicht näher eingehe. 

 

Er macht zudem auf potentielle Vorteile von Virusinfektionen für die Menschheit aufmerksam und stellt zwei Theorien gegenüber: Die Germ theory und die terrain theory, die Erreger in einen größeren Kontext der körperlichen Reinigung betten:

 

"As one meme explains it: `Your fish is sick. Germ theory: isolate the fish. Terrain theory: clean the tank.`" (S. 15)

 

("Einfach dargestellt: `Dein Fisch ist krank. Germ Theory: isoliere den Fisch. Terrain Theory: reinige den Behälter.`")

 

 

 The Coronation

 

Am Schluss dieses Textes wollen wir uns krönen. Dazu noch eine Anlehnung an Vorheriges: im Bereich des Spekulativen wird auch vermutet, das Virusse unser Genmaterial zum Positiven verändern können und sich somit Evolution weiter vollführen kann (vgl. S. 19).

 

Eine zusammenfassende Fragestellung lautet also:

 

"Perhaps the great diseases of civilization have quickened our biological and cultural evolution, bestowing key genetic information and offering both individual and collective initiation. Could the current pandemic be just that?" (S.20)

 

("Vielleicht haben die großen Krankheiten die biologische und kulturelle Evolution der Menschheit beschleunigt, indem sie genetische Schlüsselinformationen lieferten und damit sowohl individuelle als auch kollektive Initiation ermöglichten. Könnte die jetzige Pandemie genau dies für uns sein?")

 

Eisenstein geht im letzten Abschnitt auch darauf ein, wie viele positive Zeichen der Solidarität es in der Krisenzeit von Corona gibt und wie wir uns aktuell zu mehr Gemeinschaft hinwenden. Das Thema beschäftigt mich persönlich sehr, da ich es ohnehin anstrebe gemeinschaftlich mit anderen Menschen zu leben (siehe dazu auch „Gemeinsam statt einsam“ – in meinem Blog) und sich der Wunsch nun noch mehr vergrößert und verfestigt. Auch meine Oma hat diese zunehmende Separierung der Menschen mit ihren über 90 Jahren noch gespürt, indem sie vor etwa 10 Jahren folgendes in ihr Lebensbuch schrieb: „In diesen Tagen habe ich mir wieder einmal die (Dorfchronik) herbeigeholt und gelesen. (…) (Die Texte) und passenden vielen alten Bilder sind liebe Erinnerungen. Aber die Zeit verändert alles. In den Dörfern verschwindet das eigentliche Leben. Nüchternheit und Gleichgültigkeit machen sich breit. Das Drängen nach dem Gelde und das Wörtchen “Ich” wird immer wichtiger. Die Familien leiden darunter.“  Liebe Oma, die du dies mit jetzt 100 Jahren nicht mehr erleben musst: Nicht nur die Familien leiden darunter. Ich habe mich zuletzt viel mit Gemeinschaftsbildungstheorien beschäftigt. Ein Vordenker (und Praktizierer) war Scott Peck. Er und viele andere, die für Gemeinschaft einstehen, sprechen alle unisono davon, dass Solidarität und Bewusstsein für Gemeinschaft besonders in Krisen erwächst. Das ist das, was wir gerade erleben. Doch sie wollen mehr. Sie wünschen sich, dass dieser Zustand Normalzustand wird und es dafür keiner Krise mehr bedarf. Ich finde, dieses Ziel ist würdig genug, um daran zu arbeiten.

 

Und warum krönen wir uns denn jetzt?   

 

 Eisenstein spielt mit den Worten – a corona is a crown (corona ist eine Krone) – und diese Krone sorgt dafür, dass sich die Menschheit neu krönen kann.

Wir treffen jedoch die Entscheidungen, welchen der Wege wir einschlagen wollen. Eisenstein und ich hoffen auf diesen:

 

"The New World Order that the conspiracy theorists fear is a shadow of the glorious possibility available to sovereign beings. No longer the vassals of fear, we can bring order to the kingdom and build an intentional society on the love already shining through the cracks of the world of separation." (S.20)

 

"Die neue Weltordnung, die von den konspirativen Theoretikern gefürchtet wird,  ist (nur?!) ein Schatten der glorreichen Möglichkeit, die souveräne Lebewesen in sich tragen. Nicht länger die Vasallen der Angst, können wir unser König(innen :))reich wieder ordnen und eine intentionale Gesellschaft auf derjenigen Liebe aufbauen, die bereits durch die Risse unserer separierten (gespaltenen?) Welt hindurchscheint."

 

Meine Güte, ist das mal pathetisch! Ich sage das nochmal anders: wenn ihr euch liebt (euch selbst! und andere!) und das auch in euren Handlungen den Menschen und der Welt gegenüber umsetzt, dann können wir zusammen glücklich sein und vertreiben alle bösen Geister der Angst.

 

So, das war Teil 1. Teil 2 folgt – es wird um (mutige) Ideen gehen.

 

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