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Mut statt Angst - Teil 2 Kapitel 3

Dieses Kapitel beginne ich mit einem kleinen Nachtrag zum Vorherigen, da ich in der Zwischenzeit auf einen Text stieß in dem ein Absatz genau das trifft, was ich mit der Problematik der Globalisierung  auf den Punkt bringen wollte. Es ist ein Ausschnitt aus Eva Stützels Text „Corona – ein Rückblick aus 2024 auf bewegende Zeiten“ (Link dazu am Kapitelende) und er lautet so:

 

 

„Die blitzschnelle Ausbreitung des Virus war auch eine Konsequenz der Globalisierung. Jetzt ist ein neuer Trend festzustellen: Die Globalisierung im Sinne von einem Bewusstsein über unsere enge Verbundenheit auf der ganzen Welt und ein Austausch von Erfahrungen, z.B. auch im Umgang mit der Corona-Krise, wurde gestärkt, die Globalisierung im Sinne vom hemmungslosen Bewegen von Gütern und Menschen auf der ganzen Welt ist deutlich zurückgegangen. Hier geht es jetzt wieder stärker um den Lokalbezug. Lebensmittel aus der eigenen Region, Urlaub in der Nähe, direkte Kontakte zu den direkten Nachbarn, haben durch die Corona-Krise an Wert gewonnen. „Glokalisierung“ ist das Wort für diese neue Art der Rückbesinnung auf die Nähe bei gleichzeitiger globaler Verbundenheit.“

 

 

Von ebenjenem „Lokalbezug“ sprach der Ökobauer, den ich paraphrasiert habe, und von ebenjenem „hemmungslosen Bewegen von Gütern und Menschen“ sprach ich mit der Kritik an z.B. Fernreisen und deren hinterfragbarem Sinn.

 

 

Ich möchte mit dem Wörtchen hemmungslos fortfahren: Denn wovon das Zeitalter in das ich hineingeboren wurde hemmungslos ergriffen und gesteuert war, waren Konsum und Konkurrenzdenken (oder auch die kapitalistische Gesellschaft). Ich möchte liebend gerne noch den Post-Kapitalismus miterleben und finde, dass wir mit vielen kleinen Initiativen schon sehr viele Methoden entwickelt haben, die, auf die gesamte Gesellschaft übertragen, hinführen zu einem Modell des Teilens, des Tauschens und der Wiederverwertung. In einer solchen Welt würde uns nicht ständig vorgegaukelt werden, dass wir persönlich eine Menge Verzicht üben und uns einschränken müssten, um die Welt zu verändern. Das klingt so ätzend und frustrierend, dass daraus wenig intrinsische Motivation zum Handeln erwachsen kann! In einer neuen Welt wären jedenfalls diese frustrierenden Begriffe womöglich obsolet, da wir gar nicht die Empfindung hätten, irgendetwas zu vermissen, zu verpassen oder nicht (aus)nutzen zu können. In dieser Welt wäre die Wirtschaft ein sinnvoller Kreislauf, der Austausch und das Teilen von Produkten gang und gäbe und die allzeit suggerierende und manipulierende Werbung für neue Produkte abgeschafft oder in ihrer Funktion völlig verändert! Doch wie schaffen wir den inneren Übergang?  

 

 

In Städten gibt es viele kleine Aktionen, so zum Beispiel Kleidertauschpartys und Reparaturcafés für Fährräder, Elektrogeräte und sonstigen Kleinkram. In Karlsruhe hat sogar ein „Leihlokal“ aufgemacht, das ausschließlich Gegenstände vom Holzschlitten über den Handschleifer zum Waffeleisen gegen Pfand an Menschen verleiht. Bei selbigem gibt es auch einen Raum, in dem Veranstaltungen wie Konzerte stattfinden können. Wie nebenbei können bei diesen Aktionen nicht nur Dinge erstanden/geliehen werden, sondern es können auch Begegnung und Austausch stattfinden. Ich stelle mir vor, dass solche Projekte zunehmend auch wieder in Dörfern auftauchen. Warum nicht nur ein „Dorfgemeinschaftshaus“ zum Buchen von Festen, sondern auch eine große Werkstatt zur gemeinschaftlichen Nutzung? Früher gab es in Dörfern auch die Backhäuser, die gemeinsam genutzt wurden. Meine Oma beschrieb die Szenerie sogar in der Dorfchronik und offenkundig waren es oft freudige und sehr gesellige Ereignisse. Heutzutage werden stattdessen extra große Sichtschutzwände um die Sitzterrasse gezogen, damit auch niemand einen Blick auf die Menschen dort erhaschen kann.

 

 

In meiner zukünftigen Wohngemeinschaft möchte ich so viel wie möglich teilen. Geräte und Werkzeug, Küchensachen, Freizeitgeräte, Nähzeug, Räder und Zubehör, Auto (wenn eins nötig ist) und wer weiß was noch alles…Es geht mir darum immer weniger einen Besitz nur ausschließlich mir selbst zuzuordnen. Durch die Umsetzung dieser inneren Einstellung, wird die übermäßige Bedeutung  des Besitzens aus der Gesellschaft verdrängt – und damit vielleicht auch die Wichtigkeit von Konsum. Wie schnell wir Dinge verdrängen, die wir besitzen, ist mir auf der Reise anhand eines banalen und gleichfalls verblüffenden Beispiels aufgezeigt worden. Ich hatte zuletzt 5 T-shirts in meinem Gepäck. Regelmäßig ist es mir passiert, dass ich die Existenz irgendeines davon komplett vergessen habe! Und das bei nur 5 Teilen! Wenn ich das jetzt auf einen Kleiderschrank projiziere, dann vergessen wir also mindestens ein Fünftel davon. Und so geht es uns mit unzähligen Dingen, die wir uns irgendwann mal angeschafft haben. Vor allem Menschen mit Häusern neigen dazu, diese bis oben hin vollzustopfen. Doch das Besitz uns nicht innerlich zufrieden macht, dass wissen wir schon lange.

 

 

Früher war ich begeisterte Zuschauerin des Leistungssports. Heute geht mir dieses ständige Wettkämpfen und Erste/r sein wollen total auf die Nerven, nicht nur im Sport sondern in allen möglichen Lebensbereichen. Ein Teil des Kräftemessens mag mit zur menschlichen Natur gehören. So wie es alle unsere Lebensbereiche aber umgibt, hat es perverse Ausmaße angenommen. Das Kind einer Bekannten von mir hatte regelmäßig nach der Schule zu Hause Wutanfälle bekommen und er  redete Tag ein Tag aus davon, dass er unbedingt ein Smartphone braucht, um mithalten zu können. Seit aufgrund von Corona keine Schule mehr ist, haben diese Wutanfälle plötzlich aufgehört und das Kind konnte befreit von diesen Gedanken und dem permanenten Druck des Vergleichens und Messens wieder spielen und locker sein. Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal irgendwo aufschnappte, dass es den Kindern in einem indigenen Stamm völlig befremdlich war Spiele zu spielen, in denen es darum ging, Erste/r oder Beste/r zu sein, hat mich das tief berührt und gleichzeitig wie ein Schlag gegen den Kopf getroffen. Ich habe mich auch gefragt, warum ich in der Grundschule neidisch war auf die teureren Buntstifte meiner Sitznachbarin oder warum ich jeden einzelnen Tag rannte und mich beeilte, um in der Schlange für den Bus so weit vorne wie möglich zu stehen. Sofern uns das von Kindesbeinen immer noch mitgegeben wird, dann muss man als Erwachsene/r immer noch einen langwierigen Selbstfindungsprozess unternehmen, um von dieser kämpferischen und letztlich krankmachenden Mentalität abzurücken.  

 

 

Warum setzen wir uns diesem Stress der permanenten Konkurrenz aus? Warum fällt es uns so schwer unsere Schwächen zu offenbaren und anzuerkennen? Warum müssen wir Gefühle verstecken? Warum lassen wir uns drücken, schieben und ziehen von einem zu stark beschleunigten Wirtschaftsmotor? Wir haben es doch selbst in der Hand, zu endschleunigen! Wenn wir uns alle darin einig werden unseren Lebensrhythmus wieder zu verlangsamen, dann würde die Wirtschaft ins Leere laufen und müsste sich dementsprechend in eine neue Form gießen, die an uns, an die Menschen angepasst ist. Das nächste Kapitel ist vielleicht dabei das Kernstück all meiner Überlegungen, Sorgen, Hoffnungen und optimistischen Zukunftsphantasien. Es wird um Wirtschaft, Arbeit und Geld gehen. Vielleicht wird es ein paar Tage länger dauern, bis ich damit fertig bin.

 

 

Links:

 

 

Text von Eva Stützel

 

http://www.gemeinschaftskompass.de/de/corona-ein-mutmachender-rueckblick-aus-2024/?fbclid=IwAR1mL3TSZGDTh4-VRYv18syJlQezWyXxwL9IT1rFof_MJ1udhIDOjKJ5nnU (20.04.20)

 

 

leih.lokal Karlsruhe

 

https://www.buergerstiftung-karlsruhe.de/leihlokal/ (21.04.20)

 

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