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Mut statt Angst - Teil 2 Kapitel 4

Wirtschaft – Arbeit – Geld

 

 

Was wär‘ die Welt nur ohne Geld?!?! Ein schöner Ort?!?

 

 

Lasst mich ein wenig über meine Beziehung zum Geld reden. Aufgewachsen ohne Geldmangel aber mit einer Sparmentalität und vor allem einer solchen, niemals auch nur einen Cent Schulden zu machen. Ergo: Angst davor, dass das Geld knapp werden könnte. Obwohl es faktisch noch nie so weit war, dass ich irgendeinen Cent umdrehen musste. Andererseits gehöre ich auch nicht zu den großen Konsumierenden. In meinem Umfeld wurde wenig über Geld gesprochen, so etwas wie Geld leihen oder gar Schenkungen sind (außerhalb der Familie) nie thematisiert worden. Die meisten hatten halt eh genug.

 

 

Im Laufe der letzten Jahre wurde mir Geld immer unwichtiger. Nach Neuseeland ging ich nach dem Studium mit dem Willen, nie gegen Geld zu arbeiten und lebte von lange Gespartem (Sparmentalität ;)). Furchtbare Fernsehsendungen, Popsongs, Werbung und all diese Kanäle suggerieren uns: „Du musst an Geld denken“ oder noch viel schlimmer „Für Geld mach ich alles!“. Ich bin das Gegenteil. Für Geld mache ich momentan nichts. Es kommt auch auf dieser Reise gar nicht in Frage, dass ich irgendwo gegen Geld arbeite. Solange ich noch welches auf dem Konto habe, ist es keines meiner Ziele. Was ist Geld denn eigentlich? Es ist bedrucktes Papier aber wenn man genauer darüber nachdenkt, ist es eine Illusion und der Wert, der dem Geld zugesprochen wird, ist menschengemacht. Illusion deshalb, weil die Scheine und Münzen nur der eine, sichtbare, handgreifliche Teil von Geld sind, der zudem immer mehr schwindet. Der Rest besteht aus getippten Zahlen auf (elektronischem) Papier. Total absurd!  Und über die Jahrhunderte haben wir uns eingeredet, dass wir es brauchen und dass wir ohne es nichts sind. Ich kenne eine Frau, die sich irgendwann von der zwanghaften Angst, ohne Geld dazustehen, mit folgender Methode davon befreit hat (Anmerkung: sie befand sich lange Jahre auf Reisen). Sie sagte zu sich selbst: „Du gibst dein Geld jetzt aus bis du nur noch 20€ (wahrscheinlich war es damals eine andere Währung) in der Tasche hast. Du bist jetzt mutig und lässt dich darauf ein. Du bist intelligent genug dir dann zu überlegen wie es weitergeht. Unter diese 20€ wirst du nie fallen.“ Sie verlegte also im Geiste die Untergrenze ihres zur Verfügung stehenden Geldbetrags von einer imaginär wahrscheinlich deutlich höheren Vorstellung auf fast nichts. Letztendlich musste sie nie hungern oder betteln, sondern erfand sehr kreative Dinge, um sich so viel Geld „nachzuholen“, wie sie im jeweiligen Augenblick benötigte. Dies ist die krasse Form des Ausstiegs aus finanzieller Absicherung und gleichzeitig eine geistige Befreiung. Letztlich die Erkenntnis, dass es Zahlen sind, die unsere Köpfe blockieren und Angst machen. Diese Form des Experiments kann und möchte und muss nicht jede/r machen, dennoch finde ich den dafür aufgebrachten Mut doch bemerkenswert.

 

 

Wird es irgendwann eine Gesellschaft ohne Geld geben? Das wäre sicherlich spannend aber ich bezweifle, dass ich das noch erleben werde. Also konzentriere ich mich darauf, dass das Geld Schritt für Schritt in seiner Funktion und in seiner Wichtigkeit gedämpft wird und dass aus der ziemlich fesselnden Illusion vielleicht erstmal so etwas wie nüchterner Pragmatismus wird: Momentan brauche ich es, um zu überleben aber ich unterwerfe ihm nicht meine Seele, ich strebe nicht nach Reichtum, ich definiere mich nicht über die Höhe meines Verdienstes, ich denke darüber nach, wie man es effektiver verteilen könnte, damit alle was davon haben.

 

 

Zum Thema Verteilung: Neuerdings sah ich einen Buchhändler in einem Fernsehinterview, nachdem beschlossen worden war, dass Läden mit weniger als 800qm wieder öffnen dürfen. Dies erweckte viel Unmut bei größeren Geschäften, die im Vergleich zu diesen Läden, keine Einnahmen machen können und in der Logik des ewigen marktwirtschaftlichen Konkurrenzdenkens verlieren werden. Dieser schlaue Buchhändler, dessen Laden wieder aufmachen darf, schlug nun vor man sollte doch einen Fond einrichten, in den ein Teil der Umsätze jener Geschäfte fließt, die öffnen dürfen, um so einen solidarischen Ausgleich für alle Geschäfte im Einzelhandel zu bewirken. Daraufhin war ich einfach nur baff und glücklich, dass es noch andere sehr clevere und mitfühlende Menschen gibt! Wahrscheinlich ist seine kleine aber famose Idee irgendwo im Mediensumpf versickert. Warum hören wir nicht auf solche Ideen?

 

Stattdessen in den Nachrichten: Supereiche Firmen zahlen hohe Dividenden an Aktionäre aus und kassieren gleichzeitig Kurzarbeitergeld von den Arbeitsagenturen! Das kann doch nicht wahr sein!!! Genau dieses Beispiel erklärt den völlig verkorksten Verteilungsmechanismus von Geld in unserem Wirtschaftssystem.

 

 

 

Welche Methode aktuell die beste ist, um Geld zu verteilen, sodass die Wirtschaft im akuten Moment nicht total zusammenkracht weiß ich nicht. Aber langfristig bin ich überzeugt davon, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens als Zukunftsmodell das größte Potential für die Umstrukturierung unserer Gesellschaft hat. Am 27.04. endet die Mitzeichnungsfrist einer Petition an den Bundestag mit der Forderung, das BGE (Bedingungsloses Grundeinkommen) einzuführen. Sie ist die größte online Petition aller Zeiten geworden und es wurde über 170.000 Mal unterschrieben!!! Die Politik wird die Augen davor nicht mehr verschließen können. Es gibt zahlreiche Argumente des für und wider. Das will ich hier nicht alles aufzählen. Ich will nur einige Aspekte  aufzählen, die mir dabei besonders am Herzen liegen: Sollte ein BGE eingeführt werden ist dies ein Akt, der den Menschen würdigt und ihm ein, für unser existentielles Leben heutzutage noch notwendiges Gut –nämlich Geld - zur Verfügung stellt. Mit diesem Geld kann eine Existenz gesichert werden d.h. wir werden nicht hungern, nicht auf der Straße landen und können uns Kleidung leisten. In einer Zeit, in der sich Menschen nicht mehr selbst mit diesen Dingen versorgen ist das Geld also an dieser Stelle notwendig. Mit der zugesprochenen Würde hängt auch zusammen, dass es keine Prüfungen gibt, ob man oder frau das Geld „verdient“. D.h. die Menschen werden nicht mehr drangsaliert, überwacht, diffamiert oder in Kategorien gesteckt und herabgewürdigt. Jede/r hat die gleiche finanzielle Ausgangsposition! Und stellt euch nur mal vor wie viele Menschen dann ZEIT hätten sich mit wichtigeren Dingen im Leben zu beschäftigen, als sinnlose Bewerbungen zu schreiben oder sinnlose Akten darüber zu führen, ob jemand sinnlose Bewerbungen geschrieben hat! Das System würde stark vereinfacht werden, die völlig unverständliche Bürokratiesprache verschwinden, es gäbe weniger Formulare, d.h. es dient letztendlich sogar dem Klimaschutz, da weniger Papier verbraucht wird  ;)….

 

 

Aber weg vom Kleinen wieder ins Große: Ich bin überzeugt von einem psychischen Effekt und zwar dem des Auslöschens der „Existenzangst“, die unmittelbar an den Besitz von Geld geknüpft ist und die offenbar den größten Teil der Menschheit gefangen hält. Sogar diejenigen gefangen hält, die weder verschuldet sind noch jemals wirklich in finanzieller Not waren - so wie ich selbst! Diese Angst blockiert und verstopft, sie lähmt, sie schränkt Kreativität ein, sie lässt uns in Hamsterrädern laufen, sie macht uns klein und nimmt uns Verhandlungsspielraum – kurzum ist sie unglaublich destruktiv und sie kostet wieder unglaublich viel Zeit und Energie!

 

 

Sollte das BGE eingeführt werden, dann wird es Einfluss auf so gut wie alle Bereiche des öffentlichen Lebens nehmen und das finde ich zusätzlich so spannend. Ich gehe aber auch davon aus, dass dieser Wandel teils radikal und teils sehr langsam passiert. Z.B. wird nicht jeder Mensch dann automatisch mehr oder intensiver über seine/ihre Berufung nachdenken und dieser folgen und einige werden sich auf dem Geld ausruhen. Ja das mag sein. Aber da es auf allen Ebenen der Gesellschaft so viel Veränderungspotential in sich birgt, so viele Themen und grundlegende Fragen aufwirft, wird sich auch der Mensch gleichzeitig mit diesen zusammen verändern. Es wird sehr viele Kräfte freisetzen von denen wir heute noch nicht mal etwas ahnen. Wo das alles hinführt kann niemand sagen. Ich hätte eine riesige Lust darauf, dies herauszufinden.

 

In unserer heutigen Zeit ha nur der Mensch einen höheren Wert, der leistet. Und Leistung wird extrem einseitig an der Art der Erwerbsarbeit gemessen, die jemand hat oder nicht hat. Das erkennt man auch daran, dass alle erstmal fragen, was man beruflich macht, um daraufhin den Menschen in eine Schublade zu stecken, in eine soziale wie finanzielle, und darauf aufbauend ein Urteil zu bilden. Genau diesen fatalen Fokus wird ein Grundeinkommen beträchtlich irritieren. Da  bin ich mir sicher. Es könnte ein ganz Neues Licht auf diejenigen werfen, die aus dem jetzigen Leistungssystem herausfallen, z.B. Menschen, die beeinträchtigt sind durch Behinderung, Krankheit oder Alter….und letztlich dazu beitragen dass, um den Kreis zu schließen, die Würde dieser Menschen gewahrt wird.

 

 

Machen wir mit dem nächsten Gedankenspiel weiter: Kommen wir zur Arbeitswoche! Wer hat eigentlich die 40 Stunden Woche erfunden? Und warum richten sich alle danach oder arbeiten sogar mehr? Die Gegenfragen: Was könnte Schlimmes passieren, wenn wir alle statt 40 nur 20 Stunden in der Woche arbeiten würden? In manchen Berufen vielleicht nichts, da Menschen in Bürojobs in 5-6 Stunden genauso effektiv oder effektiver sind als in 8 Stunden. In vielen Berufen der Produktion wird einfach weniger von dem produziert, von dem ohnehin zu viel produziert wird (z.B. Autos). Wie wäre es, wenn wir alle mehr Zeit hätten uns um Familie, Freunde, menschliche Gemeinschaft, Kommunikation, Pflege, Hobbys, Kunst, ehrenamtliche Tätigkeiten, die uns Freude bringen, übrig hätten? Ja wenn wir wieder mehr Zeit hätten, bewusst zu essen? Wenn wir wieder mehr Zeit hätten selbst zu kochen, anstatt ungesundes Fastfood zwischen zwei Konferenzen in uns reinzuschaufeln? Wenn wir wieder mehr Zeit hätten, uns teilweise selbst zu versorgen, Dinge zu reparieren, anstatt sie wegzuwerfen und schnell was Neues zu kaufen, weil es nicht einen Tag ohne geht. Wenn wir Zeit hätten, unseren Körper wahrzunehmen und was er uns eigentlich zu sagen hat und ihn nicht mit zig verschiedenen Pillen stumm stellen, um leistungsfähig zu bleiben, obwohl uns genau diese Verhältnisse kaputt machen? Wenn ich mir selbst diese Frage beantworte gehe ich davon aus, dass ich zufriedener, achtsamer, mitmenschlicher, gesünder und ausgeglichener leben würde. Klingt nicht so übel oder?

 

 

Es geht hier nicht darum, eine vollständige Erörterung zu schreiben oder wissenschaftliche Belege vorzubringen. Ich möchte meine subjektive Perspektive schildern als ein Mensch, der in seinen Endzwanzigern bisher noch nie eine Vollzeitstelle inne hatte und diese auch nicht anstrebt, jedenfalls nicht im Falle einer Erwerbsarbeit, wie sie derzeit existiert. Ich bin total bereit viel zu arbeiten und das tue ich im Prinzip jetzt gerade auch, in dem ich mit meiner bescheidenen Weltsicht dazu beitrage in den Gedankenkreis anderer Menschen einzudringen. Es geht darum, Normalität zu hinterfragen. Es geht darum herauszufinden, wie sich Arbeit anfühlt, die man freiwillig macht und dafür mit umso viel mehr Elan und Engagement. Auch kommt meines Erachtens die innere Arbeit, die Vertiefung und Besinnung beinhaltet, um Bildungsprozesse in Gang zu setzen, in dieser schnelllebigen und von Ablenkung geprägten Zeit zu kurz. Umso erbaulicher fand ich das Gespräch mit einer um die fünfzig jährigen Frau, die ich auf einem Workshop in einer Gemeinschaft traf. Ich erzählte ihr von meinem Leben und meinen Ansichten und warum ich das Reisen und freiwillig Arbeiten gerade dem Lohnerwerb und der Wohnung vorziehe. Sie war überaus froh, glücklich und beeindruckt und bekräftigte mich immer wieder darin, dass das was ich tue, die wichtigste Arbeit ist, die gemacht werden kann, um für sich selbst und für andere weiterzukommen.

 

 

Mit der Aufgabe finanzieller Sicherheiten geht natürlich das Prinzip einher,  vermehrt im Hier und Jetzt zu leben und sich für Zukunft in finanzieller Hinsicht nicht absichern zu können. Ich glaube aber auch nicht, dass ich nach dem jetzigen System jemals eine ausreichende Rente mit 65 Jahren erzielen könnte, auch wenn ich ohne Ende arbeite – wohl auch nicht mit 70 oder 75. Ich glaube, dass das System bis dahin entweder vollends zusammengebrochen ist und ohnehin jede/r sehen muss wo er/sie bleibt oder es so revolutioniert wurde, dass Geldsorgen sekundäre oder tertiäre Belastungen und Nöte der Zukunft sind (siehe Grundeinkommen). Ich schreibe hier zwar gerade sehr viele Zukunftsvorstellungen auf, doch habe ich in den letzten Jahren einen wichtigen Lernprozess durchlaufen und vielleicht dadurch die Fähigkeit erworben gegenwärtiger zu leben. Ich möchte mich nicht darum bemühen, so viel zu arbeiten, dass ich im Alter dann davon profitieren könnte (wogegen viele Dinge sprechen). Ich möchte mein Leben so gestalten, dass ich in einer ausgewogenen Balance arbeitend lebe und lebend arbeite. Genau um diese Balance wird es auch gehen, wenn ich im nächsten Kapitel auf das Gesundheitswesen eingehen werde.

 

 

 

Ein paar ausgewählte Links zum Bedingungslosen Grundeinkommen:

 

 

https://www.mein-grundeinkommen.de/ (gemeinnütziger Verein)

 

https://www.buendnis-grundeinkommen.de/ (Ein-Themen-Partei)

 

https://www.grundeinkommen.de/ (Netzwerk Grundeinkommen)

 

(Stand: 24.04.20)

 

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